Christopher Tech
FLOWER PETALS
Blumen sind wie alle Pflanzen Meister im Erzeugen von Energie und Sauerstoff. Sie binden das Sonnenlicht und verwandeln es, sie atmen Verbrauchtes ein und Leben aus. Sie sind der Baustein unserer fossilen Energien, die über Jahrmillionen hinweg aus Pflanzenresten entstanden sind. Ihnen ist die Fähigkeit zur Metamorphose und ständigen Erneuerung eingeschrieben. Sie sind die wahren Lebenskünstler, ohne die wir Menschen nicht überleben könnten.
„Jeder Mensch sollte sich jeden Tag vor der Sonne verbeugen. Und danach vor einer Pflanze.“ Sally Chisholm, Ökologin
Christopher Techs FLOWER PETALS sind eine solche Verbeugung. Eine Verbeugung vor der unermesslichen Intelligenz und Schöpfungskraft
der Pflanzenwelt.
Auf seinen Streifzügen durch die Natur, auf Reisen und bei Floristen sammelt er Blumen und Blätter. Wählt die aus, die die Fähigkeit haben, sich „hinzulegen“, also vom drei- in den zweidimensionalen Zustand zu wechseln. Und die durchlässig genug sind, um das Licht durch sich scheinen zu lassen.
„In großen Herbarien, für die ich besondere Pappen verwende, um Farbe und Struktur der Blumen bestmöglich zu erhalten, werden sie einige Wochen lang gepresst. Dann fotografiere ich sie. Ich drucke sie auf Hahnemühle Reispapier, ein sehr feines, dünnes Papier, das mich an die Zartheit der Blütenblätter erinnert. Zart wie Schmetterlingsflügel.“
Die Blütenblätter auf Christopher Techs Portraits scheinen durch den Raum zu schweben, in das Bild hinein und wieder aus ihm heraus. Sie erinnern uns an die Zerbrechlichkeit des Lebens. Unmöglich dieses Spiel kreiselnder Atome festzuhalten. Es pulsiert wie eine offene Wunde. Und kann im Bruchteil eines Wimpernschlags vergehen.
„Die Blüten und Blätter erscheinen vor meinem fotografischen Auge in ihrer unterschiedlichen Dimensionalität und Textur, ihren Farben und Formen, in ihren verschiedenen Wachstumsphasen und vor allem in ihrer Fähigkeit, mir eine Geschichte zu erzählen.
Die ersten Blumen, die mir auf diese Weise aufgefallen sind, waren Leberblümchen, die im Frühjahr zwischen altem Laub hervor schimmerten. Auf ähnliche Weise begegneten mir später Mohnblüten in den sibillinischen Bergen, wie kleine Guerillakämpfer ins Weizenfeld gestreut, der „alte“ Mohn, der sich in Hackney unter eine Parkbank duckt, das grüne Leuchten junger Birkenblätter, die sich gerade entrollt haben.
Seitdem habe ich viele Blüten und Blätter gepresst und auf meinen Bildern neu komponiert. Dieser Teil meiner Arbeit erinnert mich an die Arbeit eines Komponisten, der der Melodie und dem Rhythmus, die der Blüte oder dem Blatt innewohnen, nachspürt. Deutlich sichtbar werden dann auf den Fotos ihre Adern, ihre feinen Härchen, sie beginnen zu atmen und zu leben.“
Die FLOWER PETALS leben auf den Bildern weiter. In einem Zwischenraum: Zwischen Foto und Aquarell. Zwischen Anhalten und Weitergehen. Zwischen damals dort und jetzt hier. Zwischen ihrem Dasein in der Natur - der Moment, in dem sie gepflückt wurden, ist als andauerndes Innehalten in sie eingeschrieben - und ihrer Anwesenheit auf dem Bild, ihrem Still Leben.
Wenn wir ebenso still vor ihnen stehen und sie betrachten, verschwindet das konditionierte Ich mit seinen Beurteilungen und trennenden Objektivierungen. Wir können ihr Eigentliches erkennen und damit auch unser Eigentliches. Ihr Leuchten verweist auf unser Leuchten: Wir fühlen, dass wir in die Welt passen.
„Die schönen Dinge zeigen an, daß der Mensch in die Welt passe.“ Immanuel Kant